Pronova BKK-Studie: Das Home­office ist entzaubert

Mangelnder Team-Spirit, häufige Jobwechsel, gestresste Berufstätige – Corona hat die Arbeitswelt verändert und noch komplexer gemacht. Was das für die Gesundheit vieler Beschäftigter bedeutet, zeigt die repräsentative Studie „Arbeiten 2022“ der Pronova BKK.

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Illustrierte Person sitzt auf einem Bett mit Laptop auf dem Schoß
Mangelnder Team-Spirit, häufige Jobwechsel, gestresste Berufstätige – Corona hat die Arbeitswelt verändert und noch komplexer gemacht. Was das für die Gesundheit vieler Beschäftigter bedeutet, zeigt die repräsentative Studie „Arbeiten 2022“ der Pronova BKK.

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Frau Thamm, trotz vielfältiger Gegenstimmen in der Öffentlichkeit wünscht sich jede und jeder zweite Beschäftigte weiterhin Maskenpflicht und Corona-Tests am Arbeitsplatz. Geben sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Sicherheitsgefühl oder sind sie bloß Gewohnheit?

Beides trifft zu. Wir haben uns die vergangenen 2 Jahre an ein „neues Normal“ gewöhnt. Das heißt, die Corona-Maßnahmen empfinden wir nicht mehr als so lästig wie zu Beginn der Pandemie. Uns wurde in der Zeit der Pandemie zudem viel Kontrolle abgesprochen. Deshalb bedeuten die Schutzmaßnahmen auch eine Chance, wieder mehr Kontrolle zurückzugewinnen, indem wir Gefühlen von Angst und Verunsicherung konstruktiv begegnen können und ihnen nicht passiv ausgeliefert sind.

64 % wollen der Studie zufolge nicht dauerhaft überwiegend von zu Hause arbeiten. Sind die Deutschen Homeoffice-müde?

Absolut. Egal, wie viele Vorteile das Homeoffice mit sich bringt, es ist mittlerweile auch ein Stück weit entzaubert. Wir merken nun, der schnelle und unkomplizierte Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen fehlt uns. Das soziale Netzwerk auf der Arbeit stellt normalerweise eine große Kraftquelle dar, wirkt motivierend und ist im besten Fall auch ein Glücksgenerator. Wenn mal etwas schiefläuft oder schwierig ist, hilft uns das gegenseitige Mitgefühl und die Unterstützung. Das gelingt auf persönlicher Ebene einfach besser und kann im digitalen Raum nicht gänzlich aufgefangen werden.

Laut Umfrage sind Homeoffice und virtuelle Meetings Gift für den Zusammenhalt vor allem unter jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Wie kann die Zusammenarbeit auf Distanz verbessert werden?

Auch im digitalen Raum kommt es auf Team-Spirit an. Förderlich sind digitale Formate wie die virtuelle Kaffeepause, das virtuelle Mittagessen oder die virtuelle Feierabendrunde. Es ist auch wichtig, kontinuierlich zu überprüfen, wie die Kommunikation und das Miteinander im Team erlebt werden und wie mit den neuen, ganz unterschiedlichen Erfahrungswelten im Gepäck auch digital gut zusammengearbeitet werden kann. Entsprechende Reflexionsräume unterstützen einen empathischeren und achtsameren Umgang miteinander.

Patrizia Thamm, Psychologin bei der Pronova BKK

Psychologin und Resilienztrainerin Patrizia Thamm arbeitet als Referentin Gesundheits­förderung bei der Pronova BKK. Sie ordnet für uns die Ergebnisse ein.

Jeder 10. geht trotz Corona zur Arbeit, insgesamt kurieren sich 72 % nicht vollständig aus. Welche Folgen hat das für die Beschäftigten?

Ganz klar, wer mit Corona zur Arbeit geht, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch das gesamte Team. Daher gilt: Wer Corona hat, sollte zwingend zu Hause bleiben und sich auskurieren.

Trotz der Möglichkeit, im Homeoffice zu bleiben, kommt mehr als ein Drittel der Menschen mit leichten Erkrankungen an den Arbeitsplatz und nimmt die Ansteckung der Kolleginnen und Kollegen in Kauf. Warum?

Die Gründe können ganz verschieden sein. Da wäre die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, der eigene hohe Erwartungsdruck, ein hoher Arbeitsrückstand und das Gefühl, die Kolleginnen und Kollegen nicht im Stich lassen zu wollen. Das hohe Verantwortungsgefühl wird dann über die eigene Gesundheit und die Ansteckungsgefahr gestellt. Es kann aber auch sein, dass die lange Isolation und die Lockerungen die Menschen mittlerweile etwas leichtsinniger sein lassen, sodass das Risiko, andere anzustecken, in Kauf genommen wird. Stichwort Homeoffice-Müdigkeit. Aber noch mal ganz klar die Bitte, mit Corona wirklich zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren.

Jüngere fühlen sich im Job häufiger gestresst als Ältere. Woher kommt das?

Während der Pandemie hat die mentale und physische Gesundheit junger Menschen extrem gelitten. Sie durften ihre Freunde nicht treffen und mussten auf soziale Kontakte verzichten, die extrem wichtig für die Entwicklung sind. Die Onlinewelt kann zwar einiges „abpuffern“, aber nicht alles. Ein weiteres Thema sind die Zukunftsängste dieser Generation. Die Angst etwa, die erforderlichen Leistungen in Ausbildung und Studium durch ausgefallene Präsenzzeiten nicht erbringen zu können, oder auch die Angst, dass sich die Jobchancen insgesamt verschlechtert haben, sodass der Einstieg in die Berufswelt hürdenreich und die Gestaltung der beruflichen Zukunft schwierig sind. All diese coronabedingten Unsicherheiten fördern Stress.

Mehr als ein Drittel hat den Job in den vergangenen zwei Jahren gewechselt. Sind die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wechselwilliger geworden?

Die Corona-Pandemie war für viele Menschen auch eine Jobkrise. Es gab Insolvenzen, ganze Branchen lagen still. Etliche Menschen waren schlicht gezwungen, sich beruflich umzuorientieren. Meines Erachtens hat Corona aber auch als Beschleuniger bei all denen gewirkt, die schon vor der Pandemie unzufrieden im Job waren. Die haben sich auf die Suche begeben. Dahinter steht auch eine veränderte Priorisierung der Werte. In Krisen wie der Pandemie oder im Krieg werden elementare Bedürfnisse wieder wichtiger. Wir hinterfragen stärker, was der Sinn des Lebens ist und ob der Job noch glücklich macht. Hinzu kommt, dass wir während der Pandemie viel mehr Zeit und Raum besaßen, neue Möglichkeiten zu entdecken. Damit wurden Veränderungen greifbarer, sodass sich die beziehungsweise der eine andere umorientiert hat.

Berufstätige schätzen ihr Burn-out-Risiko höher ein als noch vor 2 Jahren. Was treibt diesen Trend an?

Das Berufsleben ist mit seinen Anforderungen enorm komplex geworden. Seit der Pandemie sind wir anderen Einflüssen ausgesetzt. Dazu zählt auch die Entgrenzung von Arbeit und Privatem, die ein höheres Gesundheitsrisiko darstellt. Wer mehr Stress hat, der läuft auch Gefahr, psychisch zu erkranken. Im Homeoffice gestaltet es sich viel schwieriger, vom beruflichen Alltag abzuschalten – und das kann auch das Burn-out-Risiko erhöhen. Hier muss jede und jeder noch viel stärker auf sein und ihr persönliches Energielevel achten und Selbstfürsorge betreiben.

Welche Tipps haben Sie, um Arbeit und Privates zu Hause besser voneinander zu trennen?

Feste Strukturen schaffen und klar kommunizieren. Entfällt der Arbeitsweg, ließe sich dieser beispielsweise durch einen kurzen Spaziergang am Morgen ersetzen. Die Mittagspause sollte zu Hause ebenso eingebaut werden wie im Büro. Mikroerholungen helfen dem Körper, zu regenerieren. In Familien ist es zusätzlich wichtig, feste Arbeitszeiten zu kommunizieren, um sich den Raum zu schaffen, mit Ruhe und Fokus arbeiten zu können.

Arbeitende Frauen leiden der Studie zufolge an mehr Stress-Symptomen als Männer – innere Anspannung, Erschöpfung, Reizbarkeit, Selbstzweifel. Warum betrifft dies offenbar die Frauen stärker?

Ich führe das vor allem darauf zurück, dass sich Frauen oftmals in ihrer Rolle mehr für das Wohl der Familie, des Partners oder auch des Teams verantwortlich fühlen und sich über die Beziehungsarbeit mehr Gedanken machen. Dieser Mental Load, der zusätzlich zum Erwerbsleben anfällt und vielfach unsichtbar bleibt, kann einen wesentlichen zusätzlichen Stressfaktor ausmachen. Hinzu kommt oft der hohe eigene Erwartungsdruck von Frauen, viel Einsatz und Engagement zeigen zu müssen, um auf der Karriereleiter emporzuklettern. Grundsätzlich bin ich aber auch davon überzeugt, dass der Unterschied deshalb so auffällt, weil Frauen es oftmals bei Stress leichter fällt, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und ihre Belastung zu teilen. Das führt dazu, dass Frauen, auch wenn sie oft mehr Stress empfinden, diesen nicht nur besser zum Ausdruck bringen, sondern auch wirksamer verarbeiten können.

Work-Life-Balance: Das erwarten wir als Arbeitnehmer*innen – und das können wir selbst tun

Für viele Menschen in Deutschland ist die Arbeit einer der Stressfaktoren schlechthin. Stress am Arbeitsplatz kann verschiedene Ursachen haben: Ständige Erreichbarkeit, zu viele Überstunden, aber auch Personalmangel können Arbeitnehmer*innen langfristig unter Druck setzen. Im Zusammenhang von Stress und Arbeit kommt häufig der Begriff Work-Life-Balance auf, aber was ist das eigentlich? Wieso braucht man eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatem? Wir klären auf und geben Tipps, mit welchen Maßnahmen du Job und Familie besser in Einklang bringen kannst.

Im Kern steht das Wort für eine Ausgeglichenheit zwischen der Arbeitszeit und dem Privatleben. Beide Faktoren sollten in einer guten Balance zueinander stehen und sich gegenseitig nicht behindern. Besonders die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt eine wichtige Rolle bei der Work-Life-Balance.

Schon jetzt gibt es in Deutschland gesetzliche Regelungen, die helfen sollen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, darunter das Bundeseltern- und das Elternzeitgesetz, das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz.

Nicht nur viele Arbeitnehmer*innen, sondern auch deren Vorgesetzte haben Schwierigkeiten damit, Job und Familie zu vereinbaren. Wer zu viel arbeitet und sich dadurch ständig gestresst fühlt, wird auf Dauer unglücklich und eventuell sogar krank. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Stress nicht mehr richtig abgebaut und bewältigt werden kann.

Grundsätzlich ist Stress nichts Negatives, auch wenn sich seine Funktion im Verlauf der Evolution verändert hat. Unsere weit zurückliegenden Vorfahren haben in einer Gefahrensituation mit Stress reagiert, um damit ihr Überleben zu sichern. Heute wird der Körper immer noch aktiviert, um schnell und reflexartig reagieren zu können, allerdings sind heutzutage mit dem Begriff Stress kaum noch akute Bedrohungssituationen verbunden.

Wer heute davon spricht, Stress zu haben, fühlt sich meist ausgepowert und überlastet. Problematisch wird das dann, wenn diese Empfindungen gar nicht mehr nachlassen. Daraus können sich ernst zu nehmende Folgeerkrankungen entwickeln, zum Beispiel Muskelverspannungen, Schlafstörungen, Depressionen und sogar Herz-Kreislauf-Probleme. Wer es also schafft, das Privat- und das Arbeitsleben in Einklang zu bringen, verringert damit auch das Gesundheitsrisiko.

Alle Faktoren, die in Zusammenhang mit der eigenen Familie oder durch die Arbeitswelt auftreten, können die Work-Life-Balance beeinflussen. Einen negativen Effekt kann zum Beispiel das Thema Geld haben. Reicht etwa eine Vollzeitstelle nicht aus, um die Familie über die Runden zu bringen, gehen einige Menschen zusätzlich noch Nebenjobs nach. Auch wenn der Job eine dauerhafte Erreichbarkeit abverlangt, kann sich das auf die Balance auswirken: Es kann dazu führen, dass Arbeitnehmer*innen keine klare Grenze mehr finden, die zwischen dem Privatleben und der täglichen Zeit im Job gezogen werden sollte. Vor allem die Digitalisierung hat dazu beigetragen, dass das private Handy auch öfter für Anrufe oder E-Mails beruflich genutzt wird.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat im Zuge einer Studie die Work-Life-Balance in ihren 38 Mitgliedsstaaten untersucht. Der Erhebung zufolge verfügen Menschen in Italien im Vergleich über die beste Work-Life-Balance. Deutschland landete dabei auf Platz acht. Die Studie zeigt auf, dass die Arbeitszeit ein wichtiger Faktor ist: Wer länger arbeitet und darum auch weniger Freizeit hat, empfindet seine Work-Life-Balance als weniger positiv.

Flexible Arbeitszeitmodelle können helfen, das Familienleben und den Joballtag besser aufeinander abzustimmen. Auch Unternehmen, die für die Kinder ihrer Angestellten interne Betreuungsplätze anbieten, tragen damit aktiv zur Stressreduzierung bei. Denn auch ein fehlender Kitaplatz kann zur Belastung werden.

Aber nicht nur Punkte wie ein gutes Einkommen oder besondere Leistungen von Arbeitgeber*innen können deine Work-Life-Balance verbessern. Auch du kannst aktiv dazu beitragen. Ein starres Konzept gibt es dabei nicht, wir empfehlen dir, deine individuelle Situation mit einem kritischen Blick zu bewerten, um Problempunkte zu identifizieren. Hier ein paar Beispiele, wie du deine Work-Life-Balance verbessern kannst:

  • Das eigene Zeitmanagement im Auge behalten: Schau dazu gezielt auf deine täglichen Aufgaben. Welche davon sind wirklich wichtig – und welche kannst du zu einem späteren Zeitpunkt erledigen?
  • Das Handy einfach mal ausschalten: Nach der Arbeit kommen noch Nachrichten von Chef oder Chefin oder die Kund*innen klingeln auf deinem Privathandy durch? Dann sorge dafür, dass du nicht mehr dauerhaft für sie erreichbar bist. Dazu kannst du dir zum Beispiel ein Diensthandy anschaffen, das nur zu deinen Arbeitszeiten angeschaltet ist.
  • Gezielt Zeit mit der Familie verbringen: Der Job verlangt so viel von dir, dass du kaum noch Zeit mit deinen Liebsten hast? Plane Familienzeit fest in deinem Terminkalender ein.
  • Komm in Bewegung: Stress lässt sich ideal mithilfe von Sport abbauen. Nach einem auf deine körperliche Verfassung abgestimmten Work-out fühlst du dich schnell ausgeglichener. Auch das hilft dir bei der Verbesserung deiner Work-Life-Balance. Solltest du nicht wissen, welche Art der Bewegung oder welche Sportübungen für dich geeignet sind, hol dir Rat in deiner hausärztlichen Praxis.

Stress muss nicht grundsätzlich gesundheitsgefährdend sein. Doch wenn er chronisch wird, können Beschwerden auftreten. Denn wer sich immer wieder gestresst fühlt, wird auf Dauer unzufrieden. Dann kann auch die Gesundheit darunter leiden. Hast du bereits viel unternommen, um deine Work-Life-Balance aktiv zu optimieren, kannst du versuchen, andere Menschen einzubeziehen – und so eine Verbesserung zu erzielen:

  • Such den Dialog mit deinen Vorgesetzten. Oft sind schon kleine Veränderungen in der täglichen Arbeitsroutine hilfreich.
  • Sprich mit deinen Kolleginnen und Kollegen. Sucht gemeinsam nach Möglichkeiten, wie die gemeinsame Arbeit so aufgeteilt wird, dass sich niemand überfordert fühlt.
  • Teile dich deiner Familie und deinem Freundeskreis mit. Sie kennen dich gut und können dich sowohl trösten als auch beraten. Soziale Kontakte geben in stressigen Zeiten oft Kraft und Stärke.
  • Wenn du spürst, dass der Stress auf deine Psyche drückt, sprich mit deiner Hausärztin oder deinem Hausarzt darüber. Möglicherweise ist eine psychotherapeutische Unterstützung sinnvoll. Schnelle Hilfe bei Depressionen oder Belastungsstörungen bietet auch das Therapie- und Beratungsangebot der Pronova BKK. Die Behandlung richtet sich komplett nach deinem individuellen Bedarf und kann neben einer Psychotherapie auch telefonische Begleitung oder die Teilnahme an einem elektronischen Selbsthilfeprogramm beinhalten. Mehr zu unseren Angeboten rund um die mentale Gesundheit findest du auf unserer Website.
  • Niemand macht sich eine solche Entscheidung leicht, dennoch: Gelingt es trotz aller Bemühungen nicht, eine gute Work-Life-Balance zu erreichen, prüfe kritisch, ob ein Jobwechsel dir helfen kann.

Unter den nachfolgenden Links bieten wir von der Pronova BKK dir noch mehr hilfreiche Tipps für ein stressärmeres Leben:

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