Organspende: Herz zeigen, Leben schenken

Eine Organspende kann bis zu 7 Leben retten. Trotzdem besitzen bisher nur etwa 40 % der Deutschen einen Organspendeausweis. Kommt jetzt die Widerspruchslösung?

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Illustration Organspender und Organempfänger
Eine Organspende kann bis zu 7 Leben retten. Trotzdem besitzen bisher nur etwa 40 % der Deutschen einen Organspendeausweis. Kommt jetzt die Widerspruchslösung?

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Organ­spende­ausweis: Zu wenige haben ihn

Woran liegt es, dass über die Hälfte der Deutschen bisher keinen Organspendeausweis besitzt? Schließlich ist es doch eine super Sache, nach dem eigenen Tod noch etwas Gutes tun und sogar Leben retten zu können, oder?

Viele fühlen sich mit dem Gedanken, Organe und Gewebe zu spenden, schlichtweg nicht wohl und haben Sorge vor dem Unbekannten: Wie genau läuft eine Organspende ab? Was sind die Voraussetzungen? Werde ich im Notfall von Ärztinnen und Ärzten anders behandelt, wenn klar ist, dass ich Organspender*in bin? Deswegen steht jetzt die Widerspruchslösung im Raum. Mit ihr sollen zukünftig alle so lange Organspender*in sein, bis sie widersprechen. Für uns ein Grund, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Falls du noch unentschlossen bist, können wir dir deine Entscheidung zwar nicht abnehmen – aber wir können dir ein paar Fragen beantworten.

Fast jede*r kann Organ­spender*in werden

Mit großer Wahrscheinlichkeit auch du. Denn es gibt kaum Krankheiten, die eine Spende ausschließen. Nur bei Infektionen wie HIV und akuten Krebserkrankungen legen Ärzt*innen ihr Veto ein. Und: Ein zu hohes Alter für eine Organspende gibt es nicht. Am einfachsten war es bisher, wenn du schon zu Lebzeiten deine Zustimmung gibst, z. B. durch einen Organspendeausweis oder durch einen entsprechenden Eintrag im Organspende-Register. Sollte die Widerspruchslösung greifen, bist du so lange Organspender*in, bis du widersprichst.

So weit, so gut. Jetzt kommt der Part, den niemand beeinflussen kann: Nehmen wir an, du hast dich dafür entschieden, Organspender*in zu sein, und der Ernstfall tritt ein. Kannst du jetzt automatisch Organe spenden? Nein, denn Voraussetzung für eine Organspende ist der Hirntod. Dieser muss zweifelsfrei festgestellt werden, während die Organe weiterhin durchblutet sind. Das passiert nur sehr selten und schließt deshalb viele als Spender*innen aus.

So läuft eine Organ­spende ab

Organe können erst gespendet werden, wenn der Hirntod der Organspenderin bzw. des Organspenders festgestellt wurde. Außer es handelt sich um eine Lebendspende. Wurde keine Erklärung zur Organspende abgegeben, entschieden bisher die nächsten Angehörigen, also die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner, die eingetragene Lebenspartnerin bzw. der eingetragene Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, Geschwister und Großeltern.

Ist die Zustimmung geklärt, wird geprüft, ob sich die Organe für eine Transplantation eignen. Dazu werden sie medizinisch untersucht, und es werden Gewebemerkmale sowie die Blutgruppe erhoben, um eine geeignete Empfängerin bzw. einen geeigneten Empfänger zu ermitteln. Es werden ausschließlich die Organe, die zur Spende freigegeben sind, sorgfältig entnommen.

Jetzt zählt jede Sekunde: Die Organe werden in möglichst kurzer Zeit zu einer Empfängerin bzw. einem Empfänger von der Warteliste transportiert. In Deutschland warten momentan etwa 8.500 Menschen auf ein Spenderorgan.

Faktencheck: Was ist dran an Organ­spende-Mythen?

Um die Organspende ranken sich noch viele Irrtümer, die eine informierte Entscheidung erschweren. Wir räumen auf mit ein paar Vorurteilen – und zwar im Schnelldurchlauf. Vorweg noch 2 Dinge:

Du kannst schriftlich genau festhalten, welche Organe und welches Gewebe, wie Haut, Knochen oder Blutgefäße, du spenden oder nicht spenden möchtest. Diese Entscheidung kannst du jederzeit ändern. Und: Der bisher älteste Organspender Deutschlands war 98 Jahre alt. Bei Organspenden kommt es nicht auf das Alter an, sondern auf den Zustand der Organe. Eine Entscheidung für eine Organspende konnte bisher ab dem 16. Geburtstag festgehalten werden, ein Widerspruch sogar schon ab dem 14. Dafür braucht es kein Einverständnis der Eltern. Und nun zu den Irrtümern:

Das stimmt nur, wenn bei dir eine unbehandelbare Infektion, z. B. Tollwut oder die Creutzfeld-Jakob-Krankheit, eine bösartige Tumorerkrankung oder eine HIV-Infektion festgestellt wurde. Bei allen anderen Erkrankungen entscheiden die Ärzt*innen, ob du als Spender*in infrage kommst.

Auch wenn derzeit mehr Menschen auf eine Organspende warten, als Organe verfügbar sind, ist diese Sorge unbegründet. In Deutschland ist der Ablauf einer Organspende über das Transplantationsgesetz geregelt. Damit es zu einer Spende kommt, müssen viele Voraussetzungen erfüllt sein, z. B. die aktive Zustimmung zu Lebzeiten und der Tod durch einen Hirnausfall. Die Ärzt*innen, die dich im Notfall behandeln, dürfen nichts mit einer potenziellen Organspende zu tun haben. Damit es nicht zu Interessenkonflikten kommt, sind jeweils andere Ärzt*innen für Notfallbehandlung, Hirntoddiagnostik, Organentnahme und Transplantation zuständig.

Deine Familie kann sich sowohl vor als auch nach der Operation von dir verabschieden. Die Operation läuft genauso ab wie bei einem noch lebenden Menschen. Alle Wunden werden verschlossen, sodass die Person zum Abschied aufgebahrt werden kann. Verabschiedung und Bestattung sind ganz normal möglich.

Organtransplantationen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Bei dem am meisten gespendeten Organ, der Niere, funktionieren 5 Jahre nach der Operation noch 75 % der transplantierten Organe.

Organspende – ja oder nein: Wie entscheidest du dich?

Fassen wir noch mal zusammen: Der Ablauf einer Organspende ist in Deutschland streng geregelt. Ein Interessenkonflikt der Ärztinnen und Ärzte ist damit ausgeschlossen. Jedes Jahr werden deutlich mehr Organe benötigt, als gespendet werden, und jedes Jahr versterben deswegen mehrere 100 Menschen. Du kannst deine Entscheidung jederzeit ändern – egal ob Widerrufslösung oder nicht. Also, wie entscheidest du dich?

Glühbirne

Was bedeutet „hirntot“?

Der Hirntod ist der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Das Großhirn, das Kleinhirn und der Hirnstamm haben ihre Arbeit unwiederbringlich eingestellt.

Ein hirntoter Mensch liegt nicht im Sterben. Er ist bereits tot und kann nicht wieder „aufwachen“. Denn ist die Hirnfunktion endgültig erloschen, funktioniert auch kein anderes Organ mehr.

Liegt nur der geringste Hinweis darauf vor, dass das Bewusstsein auch nur zum Teil erhalten sein könnte, schließt das den Hirntod definitiv aus.

Hier bekommst du einen Organ­spende­ausweis

Deinen Organspendeausweis kannst du einfach online ausfüllen und dir als PDF zum Ausdrucken herunterladen. Oder du kannst ihn dir als Plastikkarte nach Hause bestellen, um ihn händisch zu beschriften.

Kennst du schon das Organ­spende­register?

In dem zentralen elektronischen Verzeichnis kannst du per Smartphone oder Computer festhalten, ob du Organe und Gewebe spenden möchtest – und welche.

Der Eintrag ist freiwillig und kostenlos. Du kannst deine Angaben jederzeit ändern und widerrufen

Ein Spenderherz für Franziska

„Man geht ins Krankenhaus und wartet. Entweder auf die Spende – oder den Tod.“ Franziska Bleis ist 37 Jahre alt, Mutter einer 7-jährigen Tochter, als sie 2019 nach einer scheinbar harmlosen Erkältung eine schwere Herzmuskelentzündung entwickelt. Die schädigt ihr Herz so stark, dass sie beinahe stirbt. Nach einem 1. Herzstillstand und der darauffolgenden Diagnose dauert es 3 Jahre, bis sie im März 2022 nach langem Warten endlich die erlösende Nachricht erhält: Sie bekommt ein Spenderherz – und darf weiterleben.

Franziska Bleis

Franziska Bleis: Nach 1 Jahr und 6 Monaten auf der Transplantationswarteliste passiert‘s: Franziska bekommt ein neues Herz. Ihr altes Leben ist damit vorbei – und ihr neues kann beginnen. Sie sagt: „Es ist ein Wunder: Da hat ein fremder Mensch nach seinem Tod sein Organ an mich weitergegeben – und ich darf damit leben.“

„Ich habe immer gedacht, dass ich sowas nicht brauche. Dass ich eher in die Situation kommen könnte, ein Organ zu spenden“, erinnert sich Franziska an die Zeit vor der Transplantation. „Stattdessen bin ich aus völliger Gesundheit, ohne jegliche Vorerkrankungen, durch eine Erkältung schwer herzkrank geworden.“ Mit dramatischen Folgen: Ein Leben ohne Spenderorgan ist für sie nicht mehr möglich.

Die Erkältung, mit der alles begann, hält sich hartnäckig. Nach 2 Wochen kann Franziska nicht mal mehr eine Treppe hochgehen. Ihr Mann bringt sie ins Krankenhaus. Als der Satz „Wir glauben, es ist Ihr Herz“ fällt, kann Franziska es kaum glauben. Als Mitarbeiterin der Kardiologie der Berliner Charité wusste sie schließlich genau, wie sie sich um ihr Herz zu kümmern hatte. Dachte sie.

Heute sagt sie: „Das ist mein Herz. Und ich hätte niemals gedacht, dass es sich wirklich mal so anfühlt, dass ich wieder so fit bin und mich so gut und energiegeladen fühle.“ Mittlerweile lebt Franziska wieder einen ganz normalen Alltag. Für sie ist die Transplantation ein Wunder, das sich noch immer surreal anfühlt und ihr eine Gänsehaut beschert, wenn sie darüber nachdenkt. „Was die Medizin und die Pharmazie möglich machen, wodurch ich hier sitzen und leben darf … das ist schon wirklich toll. Das ist ein Wunder“, sagt sie.

Ihre ganze Geschichte erzählt Franziska in unserem Podcast „Jetzt mal ehrlich“.

Dr. med. Ingo Meisenburg, Koordinator Deutsche Stiftung Organtransplantation und Facharzt für Allgemeinchirurgie

Interview: „Es stehen über 8.500 Patient*innen auf der Warteliste. Dem stehen nur gut 3.000 trans­plantierte Organe gegenüber.“

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation unterstützt Krankenhäuser bei der Organspende. Mit Fortbildungen – aber auch direkt vor Ort. Dr. med. Ingo Meisenburg, Koordinator Deutsche Stiftung Organtransplantation und Facharzt für Allgemeinchirurgie, im Interview.

Dr. Ingo Meisenburg, warum ist Organspende eigentlich so wichtig?

Ein menschliches Organ kann nichts so gut ersetzen wie ein anderes menschliches Organ. Es gibt zwar einige technische Organersatzverfahren, z. B. die Dialyse, die man über Jahre nutzen kann. Es gibt aber auch Organe, die nicht so einfach zu ersetzen sind. Dazu gehören das Herz, die Lunge und die Leber. Hier hilft eine mechanische Ersatztherapie nur wenige Tage bis Wochen, bis die Patientin bzw. der Patient möglicherweise verstirbt.

Welche Arten von Organspende gibt es?

In Deutschland gibt es 2 Modelle: Bei der Lebendspende können Angehörige oder Freund*innen eine Niere oder Teile der Leber spenden. Die postmortale Organspende findet nach dem Hirntod eines Menschen statt. Das ist in Deutschland ein sehr seltener Fall. Deshalb ist die Organspende in deutschen Krankenhäusern generell ein seltenes Ereignis.

Wie lange muss man auf ein Organ warten?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei der Niere beträgt die durchschnittliche Wartezeit z. B. über 8 Jahre. Jedes Jahr versterben mehrere 100 Menschen, weil sie auf ein Organ warten und keines bekommen. Das Schlimme daran ist der große Abstand zwischen den benötigten und den tatsächlich verfügbaren Organen.

Stimmt es, dass man als Organspender*in im Zweifel nicht optimal versorgt wird?

Ganz klar: nein! Für jedes Krankenhaus steht die Behandlung und die Rettung der Patientin bzw. des Patienten an oberster Stelle. Das ist oberstes Gebot. Die Organspende ist eine Option, die sich am Lebensende vielleicht in bestimmten Situationen ergibt. Und diese Frage muss dann gestellt werden. Deswegen kann man sagen, dass diese Sorge unbegründet ist.

Organspende: Zahlen kompakt

Die Regeln, wer auf die Warteliste für ein Spenderorgan gesetzt wird, sind streng. Entscheidend sind u. a. die Erfolgsaussichten, die Notwendigkeit und der gesundheitliche Allgemeinzustand der Patientin bzw. des Patienten. Zusätzlich gibt es für jedes Organ individuelle Bedingungen, die erfüllt sein müssen.

  • Bis zu 7 Leben kann eine einzige Organspenderin bzw. ein einziger Organspender theoretisch retten.
  • 11,4 Organspender*innen kommen auf 1 Mio. Einwohner*innen in Deutschland. Im Jahr 2023 gab es bundesweit 965 Organspender*innen. Das sind 11 % mehr als im Vorjahr.
  • 44 % der Organspender*innen waren im Jahr 2023 zwischen 16 und 55 Jahre alt.
  • 30 % waren älter als 65 Jahre.
  • 22,5 % waren 56-64 Jahre alt.
  • 3,5 %: unter diesem Wert lag der Anteil der unter 15-jährigen Spender*innen.
  • 85 von 100 Nieren funktionieren 1 Jahr nach der Transplantation noch. Nach 5 Jahren arbeiten noch 75 von 100 Spendernieren.

Quellen: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Deutsche Stiftung Organtransplantation

Info

Schon gewusst?

Neben der Organ- und Stammzellenspende gibt es auch die Gewebespende.