Pronova BKK: Wie viel Vertrauen und wie viel Kontrolle findest du sinnvoll?
Clemens: Je jünger die Kinder sind, desto mehr Kontrolle würde ich mir von Eltern wünschen. Der Tenor muss lauten: „Ich kümmere mich um dich, weil du mir wichtig bist. Deshalb schauen wir gemeinsam auch ab und zu in deine Chats. Es ist ein großer Vertrauensvorschuss, wenn du WhatsApp jetzt schon hast. Wenn ich sehe, dass das gut läuft, dann schaue ich mit dir da nicht mehr so oft rein." Das gilt für Kinder unter 14 Jahren. Ich würde es aber nicht nur am Alter festmachen, sondern individuell entscheiden, wie gut mein Kind mit den digitalen Medien umgeht. Ich bin kein Freund davon, Kinder auszuspionieren. Aber Eltern dürfen Kindern und Jugendlichen das Handy nicht einfach selbst überlassen.
Pronova BKK: Bitte erläutere das!
Clemens: In Klassenchats beispielsweise kommt alles vor – Gewalt, Rassismus, Sexismus und Pornografie. Ein guter Kontakt zum Kind ist darum in Zeiten von Social Media noch wichtiger geworden. Das bedeutet, möglichst früh mit dem Kind über Medienkonsum und die konsumierten Inhalte zu reden. So entsteht ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Irgendwann kommt aber auch der Punkt, an dem Eltern loslassen und dem Kind vertrauen müssen. Das ist die Königsdisziplin.
Pronova BKK: Wo können sich Eltern Unterstützung holen?
Clemens: Die Pronova BKK bietet zum Beispiel den digitalen Elternabend, den wir von „Clemens hilft!", inhaltlich aufbereiten. Hier erfahren Interessierte, wie viel Online-Nutzung für Kinder okay ist. Zu jedem Video sind Handouts mit weiterführenden Links zu seriösen Internetseiten hinterlegt. Außerdem empfehle ich gern die Website medien-kindersicher.de der Landesanstalten für Medien und Kommunikation in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und der Initiative Klicksafe. Hier wird gut erklärt, wie Eltern Leitplanken in Form von technischen Grenzen setzen können. Die Internetseite klicksafe.de informiert wiederum sehr gut über neue Apps. Wenn es um Spiele geht, finde ich den spieleratgeber-nrw.de sehr gut. Es lohnt sich auch, den Kindersoftwarepreis tommi.kids zu kennen, der jährlich die besten Videospiele kürt.
Pronova BKK: Welche Folgen hat ein zu hoher Medienkonsum für Kinder?
Clemens: Es gibt erste Studien, die zeigen, dass ein hoher Medienkonsum zu schlechteren schulischen Leistungen führen kann. Der Psychologe Christian Montag hat diese Korrelation in seinen Arbeiten festgestellt. Aber es handelt sich dabei um ein relativ junges Thema für die Forschung, da Smartphones die breite Masse an jungen Leuten erst seit etwa 7-8 Jahren erreicht haben. Zudem deuten Studien darauf hin, dass eine hohe Social-Media-Nutzung psychische Erkrankungen wie z. B. Depressionen triggern kann.
Pronova BKK: Gibt es auch eine zu geringe Online-Mediennutzung, sodass Jugendlichen bestimmte Kompetenzen fehlen?
Clemens: Ein klares Nein. Es ist nicht so, dass Kinder am Smartphone programmieren lernen oder lernen, wie eine Drohne fliegt. Manche Kinder tun das. Aber die breite Masse nutzt das Handy zum Chatten mit Freund*innen und zum Spielen. Das sind keine Kompetenzen, die ich mir nicht auch noch später aneignen könnte.