Jeder 10. geht trotz Corona zur Arbeit, insgesamt kurieren sich 72 % nicht vollständig aus. Welche Folgen hat das für die Beschäftigten?
Ganz klar, wer mit Corona zur Arbeit geht, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch das gesamte Team. Daher gilt: Wer Corona hat, sollte zwingend zu Hause bleiben und sich auskurieren.
Trotz der Möglichkeit, im Homeoffice zu bleiben, kommt mehr als ein Drittel der Menschen mit leichten Erkrankungen an den Arbeitsplatz und nimmt die Ansteckung der Kolleginnen und Kollegen in Kauf. Warum?
Die Gründe können ganz verschieden sein. Da wäre die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, der eigene hohe Erwartungsdruck, ein hoher Arbeitsrückstand und das Gefühl, die Kolleginnen und Kollegen nicht im Stich lassen zu wollen. Das hohe Verantwortungsgefühl wird dann über die eigene Gesundheit und die Ansteckungsgefahr gestellt. Es kann aber auch sein, dass die lange Isolation und die Lockerungen die Menschen mittlerweile etwas leichtsinniger sein lassen, sodass das Risiko, andere anzustecken, in Kauf genommen wird. Stichwort Homeoffice-Müdigkeit. Aber noch mal ganz klar die Bitte, mit Corona wirklich zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren.
Jüngere fühlen sich im Job häufiger gestresst als Ältere. Woher kommt das?
Während der Pandemie hat die mentale und physische Gesundheit junger Menschen extrem gelitten. Sie durften ihre Freunde nicht treffen und mussten auf soziale Kontakte verzichten, die extrem wichtig für die Entwicklung sind. Die Onlinewelt kann zwar einiges „abpuffern“, aber nicht alles. Ein weiteres Thema sind die Zukunftsängste dieser Generation. Die Angst etwa, die erforderlichen Leistungen in Ausbildung und Studium durch ausgefallene Präsenzzeiten nicht erbringen zu können, oder auch die Angst, dass sich die Jobchancen insgesamt verschlechtert haben, sodass der Einstieg in die Berufswelt hürdenreich und die Gestaltung der beruflichen Zukunft schwierig sind. All diese coronabedingten Unsicherheiten fördern Stress.
Mehr als ein Drittel hat den Job in den vergangenen zwei Jahren gewechselt. Sind die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wechselwilliger geworden?
Die Corona-Pandemie war für viele Menschen auch eine Jobkrise. Es gab Insolvenzen, ganze Branchen lagen still. Etliche Menschen waren schlicht gezwungen, sich beruflich umzuorientieren. Meines Erachtens hat Corona aber auch als Beschleuniger bei all denen gewirkt, die schon vor der Pandemie unzufrieden im Job waren. Die haben sich auf die Suche begeben. Dahinter steht auch eine veränderte Priorisierung der Werte. In Krisen wie der Pandemie oder im Krieg werden elementare Bedürfnisse wieder wichtiger. Wir hinterfragen stärker, was der Sinn des Lebens ist und ob der Job noch glücklich macht. Hinzu kommt, dass wir während der Pandemie viel mehr Zeit und Raum besaßen, neue Möglichkeiten zu entdecken. Damit wurden Veränderungen greifbarer, sodass sich die beziehungsweise der eine andere umorientiert hat.
Berufstätige schätzen ihr Burn-out-Risiko höher ein als noch vor 2 Jahren. Was treibt diesen Trend an?
Das Berufsleben ist mit seinen Anforderungen enorm komplex geworden. Seit der Pandemie sind wir anderen Einflüssen ausgesetzt. Dazu zählt auch die Entgrenzung von Arbeit und Privatem, die ein höheres Gesundheitsrisiko darstellt. Wer mehr Stress hat, der läuft auch Gefahr, psychisch zu erkranken. Im Homeoffice gestaltet es sich viel schwieriger, vom beruflichen Alltag abzuschalten – und das kann auch das Burn-out-Risiko erhöhen. Hier muss jede und jeder noch viel stärker auf sein und ihr persönliches Energielevel achten und Selbstfürsorge betreiben.
Welche Tipps haben Sie, um Arbeit und Privates zu Hause besser voneinander zu trennen?
Feste Strukturen schaffen und klar kommunizieren. Entfällt der Arbeitsweg, ließe sich dieser beispielsweise durch einen kurzen Spaziergang am Morgen ersetzen. Die Mittagspause sollte zu Hause ebenso eingebaut werden wie im Büro. Mikroerholungen helfen dem Körper, zu regenerieren. In Familien ist es zusätzlich wichtig, feste Arbeitszeiten zu kommunizieren, um sich den Raum zu schaffen, mit Ruhe und Fokus arbeiten zu können.
Arbeitende Frauen leiden der Studie zufolge an mehr Stress-Symptomen als Männer – innere Anspannung, Erschöpfung, Reizbarkeit, Selbstzweifel. Warum betrifft dies offenbar die Frauen stärker?
Ich führe das vor allem darauf zurück, dass sich Frauen oftmals in ihrer Rolle mehr für das Wohl der Familie, des Partners oder auch des Teams verantwortlich fühlen und sich über die Beziehungsarbeit mehr Gedanken machen. Dieser Mental Load, der zusätzlich zum Erwerbsleben anfällt und vielfach unsichtbar bleibt, kann einen wesentlichen zusätzlichen Stressfaktor ausmachen. Hinzu kommt oft der hohe eigene Erwartungsdruck von Frauen, viel Einsatz und Engagement zeigen zu müssen, um auf der Karriereleiter emporzuklettern. Grundsätzlich bin ich aber auch davon überzeugt, dass der Unterschied deshalb so auffällt, weil Frauen es oftmals bei Stress leichter fällt, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und ihre Belastung zu teilen. Das führt dazu, dass Frauen, auch wenn sie oft mehr Stress empfinden, diesen nicht nur besser zum Ausdruck bringen, sondern auch wirksamer verarbeiten können.