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Die toxische Beziehung

„Es begann wie im Märchen. Fast zu schön, um wahr zu sein.” So schildern Menschen den fulminanten Beginn einer Beziehung, die ihnen im weiteren Verlauf häufig den Boden unter den Füßen wegzieht. Toxisch bedeutet giftig. Aber was hat Gift in einer Beziehung zu suchen? profil sprach mit Paarberaterin Sabina Thiemeyer aus Bad Homburg über Verbindungen, die Kraft kosten und Energie rauben.

„Toxische Beziehung“ klingt wie ein modernes Etikett für gemeinsames Scheitern. Was passiert in einer solchen Verbindung? Sprechen wir von einem schleichenden Gift, das die Beziehung lähmt?

Nicht ganz. Tatsächlich leidet ein Beziehungspartner deutlich stärker als der andere. Nicht die Beziehung als solche ist vergiftet, vielmehr sind es Verhaltensweisen eines Partners, die vergiftend auf die Verbindung wirken. Die Entwicklung folgt einem typischen Muster: Nach einer innigen Honeymoon-Phase gerät die Beziehung in Schieflage. Plötzliche Stimmungswechsel und subtile Kritik aus heiterem Himmel irritieren den Beziehungspartner und erschaffen ein Klima der Verunsicherung. Von einer auf die andere Sekunde verwandelt sich die rosarote Wolke in das dramatische Szenario einer Gewitterfront. Und zumindest in der Anfangszeit auch genauso schnell wieder zurück.

Also sprechen wir von einer toxischen Person, die gleichsam ihr Gift verspritzt?

Ja, auch wenn es wie ein Pauschalurteil klingt, muss man das so sagen. Ein toxischer Partner bindet sein Gegenüber durch extreme Überhöhung und die Illusion einer Seelenverwandtschaft schnell sehr eng an sich. Fühlt er sich sicher, beginnt er mit kleinen Angriffen auf die Persönlichkeit seines Gegenübers. Da kann der kleinste Anlass ausreichen, um eine heftige Szene auszulösen. Ab diesem Moment beginnt eine schleichende Verunsicherung, die der angegriffene Partner durch eine Erhöhung seiner Anpassungsbereitschaft ausgleichen will. „Ich muss nur alles richtig machen, dann wird alles wieder gut“, lautet sein Credo, um die Harmonie wiederherzustellen. Leider gelingt das nicht oder vielmehr nur während immer kürzerer Phasen. Die Angriffe werden häufiger und massiver, die Destabilisierung des verunsicherten Partners schreitet voran. Eine Berg- und Talfahrt zwischen besonders innigen Phasen und totaler Infragestellung der Beziehung mit heftigen Streits nimmt ihren Lauf. Am Ende ist mindestens einer der Partner häufig nur noch ein Schatten seiner selbst. Das geht bis hin zu körperlichen Folgen wie totaler Erschöpfung. Weil in solchen Zuständen auch das Immunsystem in Mitleidenschaft gezogen wird, können auch Krankheiten auftreten, die uns sonst wahrscheinlich verschont hätten.

Klingt so, als sollte man eine solche Beziehung schnellstens beenden … Warum bleibt man noch in einer solchen Dramakulisse?

Gute Frage. Genau hier zeigt sich das Toxische einer solchen Beziehung: In den Hochphasen meint man, den idealen Partner gefunden zu haben. Eine tiefe Bindungssehnsucht wird in dieser Zeit erfüllt. Oft machen uns auch alte Wunden aus unseren frühesten Bindungserfahrungen anfällig für die Illusion der Seelenverwandtschaft. Und zusätzlich ist sehr schwer vorstellbar, dass der in guten Phasen so einfühlsame Partner tatsächlich grausam, kalt und manipulativ sein kann. Hier entsteht enorm viel Leid.

Kann sich denn jeder als toxischer Partner entpuppen, oder sprechen wir hier von Narzissten, Soziopathen und Co.?

Wir haben es hier tatsächlich mit problematischen Persönlichkeitsstrukturen zu tun, wobei die Ausprägungen natürlich unterschiedlich stark sein können. Zwischen narzisstischen Zügen und einer narzisstischen oder einer Borderline-Persönlichkeitsstörung liegen Welten. Bei den toxischen Beziehungen geht es meist auch um die besondere Konstellation zweier Persönlichkeiten. Ein toxischer Partner hat ein Problem damit, sich selbst zu spüren und übertr.gt seine Gefühlswelt auf andere und verlagert eigene Selbstzweifel auf den Beziehungspartner. Wenn dieser unzulänglich erscheint, kann er selbst sich gut fühlen. Das geschieht in der Regel unbewusst. Er trifft häufig auf einen Partner, der im hohen Maße empathisch ist und Anpassungsbereitschaft mitbringt. In einer solchen Konstellation findet das Gift seinen idealen Nährboden.

Was machen Sie in der Paarberatung mit solchen Paaren?

Letztlich hängt alles davon ab, welchen Reflexionsgrad die Partner zulassen können. Können sie anerkennen, dass emotionale Gewalt im Spiel ist? Sind sie bereit, genau hinzuschauen und an ihren Mustern zu arbeiten? Für den Partner geht es meist darum, zu lernen, Grenzen zu setzen und den eigenen Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Das ist ein hartes Stück Arbeit. Manche Paare schaffen das. Ehrlicherweise muss man jedoch sagen, dass in vielen Fällen eine Trennung die adäquate Lösung ist. Aber auch die ist schwieriger als bei einer „normalen“ Beziehung. Eine Trennungsbegleitung hilft dabei, diese schwierige Phase durchzustehen. Am Ende bringt diese schlimme Zeit aber für viele eine enorme Persönlichkeitsentwicklung und ebnet den Weg in eine erfüllte Partnerschaft.

Sind Sie in einer toxischen Beziehung?

1. Fühlen Sie sich häufig verunsichert und glauben Ihrem/r Partner/in mehr als Ihrer eigenen Wahrnehmung?

2. Hatten Sie schon in einer frühen Phase der Beziehung manchmal ein ungutes Gefühl, das Sie schnell beiseitegeschoben haben?

3. Haben Sie in Ihrer Beziehung das Gefühl, nie gut genug zu sein, und dass das, was Sie tun, nie ausreicht?

4. Kennen Sie in Ihrer Beziehung emotionale Schwankungen zwischen dem Gefühl totaler Vertrautheit und verstörendem Entsetzen?

5. Kennen Sie Situationen, in denen Sie Ihrem/r Partner/in gegen Ihre Überzeugung Recht geben, um Streit zu vermeiden?

6. Macht Ihr/e Partner/in Ihre Freunde und Ihre Familie schlecht, bzw. isoliert er Sie von Ihrem Umfeld?

7. Haben Sie sich schon für Dinge entschuldigt, die Sie nicht getan oder gesagt haben, um einen Streit zu vermeiden?

8. Warten Sie vergeblich auf Entschuldigungen Ihres/r Partners/in, wenn Sie verletzt wurden?

9. Wirft Ihr/e Partner/in Ihnen öfter Verhaltensweisen vor, die tatsächlich umgekehrt für ihn/sie typisch sind?

10. Haben Sie den Eindruck, dass Sie zunehmend an Vitalität und Lebensfreude verlieren?

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